17/08/2006
– Berliner Morgenpost
"Primadonna? Prima heißt doch schlank“
Die spanische
Operndiva Montserrat Caballé singt beim Berliner Benefiz am 25. August 2006.
Sie ist nach wie vor
voller Energie. Die 73-jährige spanische Sopranistin Montserrat Caballé lacht
herzhaft, plaudert in bestem Deutsch - und singt jetzt wieder in Berlin. Volker
Blech sprach mit dem Klassikstar.
Berliner Morgenpost: Frau Caballé, Sie
singen für eine Berliner Kinderkrebsklinik. Hat das Engagement auch etwas mit
der eigenen Erfahrung, mit den eigenen Ängsten zu tun, als Sie Mitte der
achtziger Jahre erfuhren, als Sie Mitte der achtziger Jahre erfuhren, mit einem
Gehirntumor leben zu müssen?
Montserrat Caballé: Ich singe schon seit
Jahrzehnten im Benefiz. Das war schon lange, bevor ich von meinem Tumor
erfahren habe. Ich mache auch viele humanitäre Aktionen - für kriegsverletzte
Kinder, für ältere Menschen, gegen Aids. Ich mache das sehr gerne, weil viele
Menschen es nötig haben. Wir Sänger haben das Glück, nicht nur andere Menschen
unterhalten, sondern vielen mit unserer Musik auch helfen zu können.
Als Sängerin haben Sie eine atemberaubende Karriere gemacht...
...
und vor allem eine lange. Ich habe Glück gehabt in meinem Leben, in meinem
Beruf.
Wie viel singen Sie heute noch?
Üben
oder singen? Ich übe jeden Tag. Je mehr man brav seine Atemübungen und
Vokalisen macht, desto weniger enttäuscht man sein Publikum.
Müssen Sie mehr üben als früher?
Nein,
aber auch nicht weniger. Darüber hinaus studiere ich neue Lieder und Partien
ein. Singen ist Arbeit. Und wenn man arbeitet, muss man hundertprozentig dabei
sein.
Was studieren Sie gerade Neues ein?
In
dieser Saison studiere ich drei neue Partien ein, darunter Donizettis "Die
Regimentstochter", die ich im April in Wien singen werde. Darüber hinaus
gebe ich viele Galas mit Orchestern und Liederabende. Pro Monat mache ich zehn
bis zwölf Vorstellungen. Ja, ja, ich bin tüchtig. Damit ich nichts vergesse.
Machen Sie ein spezielles Gedächtnistraining, um sich Noten und
Texte merken zu können?
Das
muss man machen. Man muss schließlich auf alles vorbereitet sein. Kürzlich habe
ich das Finale von "Salome" in einem Konzert gesungen. Der Dirigent
sagte vorher, er habe das schon so oft von mir gehört, dass wir das nicht extra
proben müssen. Im Konzert überspringt plötzlich das Orchester vier Seiten. Das
hatte ich vorher so noch nie gemacht. Ich gucke auf den Dirigenten, er singt
mir meine Phrase vor und so konnte ich reagieren. Es gibt viele Dinge der
Bühne, von denen das Publikum nichts weiß.
Was würden Sie jungen Sängern am Beginn der Karriere raten?
Geduldig
zu sein. Viele wollen sofort Erfolg. Jeder sollte sich auf dem Konservatorium
gut vorbereiten, dann muss der Sänger an einer guten Bühne, wo er gemeinsam mit
einem Dirigenten die Werke durchsprechen kann, die Praxis erlernen. Das hatte
ich in Basel und in Bremen. Die drei Jahre waren für mich die Vorbereitung auf
die große Karriere. Fest engagiert zu sein an einer deutschen Bühne ist das
Beste, was einem Sänger passieren kann. Grace Bumbry, die in Bayreuth ihre
große Karriere begann, und Marilyn Horne, die einige Jahre in Gelsenkirchen
engagiert war, haben mir das Gleiche gesagt.
Sie sind gewissermaßen der Entdecker von José Carreras?
Das
war mein Bruder Carlos, ich habe mit José Carreras doch nur gesungen. Mein
Bruder hat zu mir einmal gesagt, er habe einen tollen Tenor, ob ich nicht mit
ihm singen möchte. Gut, sagte ich, wenn er gut ist. Mein Bruder hatte Recht,
der Tenor war gut.
In Berlin singen Sie jetzt mit dem jüngeren, 44jährigen Marcello
Alvarez?
Ja,
zum ersten Mal. Ich habe Platten von ihm gehört, aber ich kenne ihn noch nicht
persönlich. Ich bin gespannt.
Eigentlich muss immer die Sopranistin die Primadonna sein…
Ach
wirklich? Wissen Sie, was prima auf Spanisch bedeutet? Es bedeutet schlank. Das
passt also nicht auf mich. Wobei ich jetzt 32 Kilo verloren habe, weil ich im
vergangenen Jahr krank war. Das ist viel, aber ich fühle mich jetzt toll mit dem
Gewicht.
Tenöre haben es zweifellos leichter, beim Publikum große
Popularität zu erreichen?
Das
ist wahr. Vielleicht, weil Tenöre auf dem Niveau von Pavarotti, Domingo,
Carreras, Alagna oder Alvarez viel schwerere Dinge zu singen haben als
Sopranistinnen. Und die paar Tenöre, die das können, werden eben berühmt. Gute
Sopranistinnen gibt es viele.
Große Sopranistinnen erinnern oft an das Märchen von
Aschenputtel. Sie haben etwa als Näherin in einer Fabrik begonnen.
Wir
waren sehr arm. Ich wollte immer eine Sängerkarriere machen, um meinen Eltern
helfen, um ein besseres Leben haben zu können. Es hat geklappt.
Die neue Primadonna Anna Netrebko pflegt die Legende, als
Putzmädel an der Petersburger Oper begonnen zu haben.
Anna
hat eine phantastische Stimme. Außerdem ist sie schlank und hübsch. Sie hat
einfach alles. Ich bewundere sie. Ich glaube, dass sie mit ihrer Stimme wie ich
jahrelang wird singen können.