Südkurier 14/01/2009
Operndiva Montserrat Caballé im SÜDKURIER-Gespräch – 20.
Januar Konzert in Friedrichshafen
Montserrat
Caballés Karriere auf den bedeutendsten Opernbühnen der Welt währt seit über 40
Jahren. Der große Durchbruch gelang der in Barcelona geborenen Katalanin 1965
in der New Yorker Carnegie Hall, als Ersatz für die schwangere Marilyn Horn.
Heute umfasst das Repertoire der 75-jährigen Sopranistin rund 80 Opernrollen
und 800 Lieder. Mit dem SÜDKURIER sprach sie über das Geheimnis des Erfolgs,
ihre Zusammenarbeit mit Freddie Mercury und der Gefahr steiler, aber kurzer
Karrieren.
Wie
haben Sie es geschafft, Ihre Stimme über so viele Jahre zu bewahren?
Ich weiß
es selbst nicht. Ich nehme an, ich habe eine gute Technik. Ich habe immer
versucht, keine Sachen zu singen, die nicht zu meiner Stimme passen. Und ich
war vorsichtig, habe versucht, meine Stimme nicht zu verziehen. Aber eigentlich
bin ich selbst überrascht.
Hat sich im Verlauf von Opernkarrieren etwas
grundsätzlich verändert?
Ja. Als
ich angefangen habe, war es undenkbar zu singen, bevor man die gesamte
Ausbildung absolviert hatte. Sechs, sieben Jahre lernte man Technik, vier Jahre
machte man sich nur mit Komponisten verschiedener Jahrhunderte vertraut. Man
kann nicht Mozart wie Puccini oder Verdi wie Bellini singen. Dazu kamen noch
einmal drei Jahre, in denen man auch lernte, den richtigen Ausdruck für die
Dichter zu finden, die die Komponisten zu ihren Opern inspiriert haben. Da
kamen zwölf, 13 Jahre zusammen. Eine Sängerin, die diese Ausbildung durchlaufen
hatte, konnte mit jedem Dirigenten kommunizieren. Aber seit zehn, 15 Jahren
stelle ich fest, dass das nicht mehr der Fall ist.
Sänger
gehen nach fünf, sechs Jahren schon auf die Bühne. Sie haben Kenntnisse über
die Musik, aber keine so tiefen. So ist es mit allem. Vielleicht sehen die
Sänger die Gefahren nicht, die daraus resultieren: Mancher hat eine
fantastische Stimme, aber in sechs oder acht Jahren ist er verschwunden.
Geraten sie an eine Opernpartie, die nicht ganz genau auf ihre Stimme passt,
beginnen die Probleme: Sie verzerren, müssen zum Arzt und so weiter. Junge
Sänger sind heute sehr schnell an der Spitze, aber die Karrieren sind viel
kürzer geworden. Als ich noch jung war, hat man uns gesangstechnisch auf einen
höheren Stand gebracht – einen Stand, den alle großen Sängerinnen und Sänger
hatten und aus dem sehr lange Karrieren hervorgegangen sind. Joan Sutherland
etwa ist jetzt 81 Jahre alt, und sie zu hören, ist immer noch ein Traum.
Sie haben 1987 mit Freddie Mercury „Barcelona“
gesungen. War das eine mutige Entscheidung?
Ja, sehr
mutig. Aber ich habe es natürlich auch wegen der Olympischen Spiele in
Barcelona getan. Mein Mann hat empfohlen, etwas für junge Leute zu machen, und
mein Bruder hat zu mir gesagt: ‚Freddie Mercury kommt immer in deine Konzerte,
er ist ein Freund – fragen wir ihn!' Die Zusammenarbeit mit Freddie war für
Barcelona eine gute Sache und auf der ganzen Welt ein Erfolg. Viele junge Leute
sind danach in die Oper gegangen, und ich fand es toll, so viele Menschen für
sie zu gewinnen, ihnen einen anderen Zugang zur Musik zu zeigen.
Wenn Sie Rollen singen, die Sie schon vor
Jahren gesungen haben, gehen Sie dann anders heran?
Die
Rollen, die ich heute singe, sind Rollen, die ich jetzt auch singen kann. Ich
gehe immer mit dem gleichen Enthusiasmus, der gleichen Freude an sie heran.
Letztes Jahr habe ich zwei neue Rollen gesungen, und das war fantastisch. Das
Publikum erwartet von mir, dass ich immer etwas Neues mache. Im Lauf der Jahre
ist das zu so etwas wie meinem Markenzeichen geworden. Sowohl in der Oper als
auch in Konzerten habe ich immer nach Neuem gesucht. Es freut mich, dass ich
dadurch der Musik nützlich war – etwa, indem sich heute so manche zusätzliche
Oper auf den Bühnen findet. Mich hat angetrieben, nicht immer nur ‚La Boheme',
‚La Traviata' und ‚Manon' zu singen. Auch im Bereich des Belcanto habe ich
versucht, mich für ganz unbekannte Opern einzusetzen. Rossini wurde ja
reduziert auf ‚Rigoletto', Donizetti war ‚L'elisir d'amore'. Ihre anderen Opern
waren vergessen. Vergessenes wieder populär zu machen, verleiht den Komponisten
eine ganz andere Dimension.
Am 20. Januar geben Sie im Graf-Zeppelin-Haus
in Friedrichshafen ein Konzert mit Klavierbegleitung. Was schätzen Sie an derr
kleinen Form, verglichen mit der großen Opernbühne?
Ein
Liederabend ist sehr intim. Pianist und Sänger sind ein Paar; man offeriert
sich dem Publikum als Duo, und natürlich ist man ihm dabei viel näher als in
der Oper, wo zwischen dir und dem Publikum 30 Meter liegen und das Orchester
dazwischen ist. Die Opernbühne ist wie ein Bild, auf dem sich der Sänger
bewegt. Die Oper hat eine ganz andere Perspektive auf die Musik – es geht nicht
um Intimität, sondern um die Handlung.
Welche Ihrer vielen Opernrollen beherrschen
Sie heute noch auswendig?
Alle.
Wenn du eine Oper machst, hast du nur zwei Tage Zeit, sie zu lesen, aber über
die Jahre singst du sie hunderte Male. Es ist ganz normal, dass man sie dann
kennt.
Gibt es denn eine goldene Regel, die Sie
jungen Sängerinnen und Sängern mit auf den Weg geben können?
Geduld,
vor allem am Anfang! Geduld ist der Schlüssel zum Erfolg. Mit dem Erfolg ist es
wie mit dem Genuss bei einem guten Essen: Man muss sich Zeit lassen, damit er
sich einstellt.