26.08.2002
Montserrat Caballé, Diva mit Bodenhaftung
Die
spanische Sopranistin Montserrat Caballé ist seit Jahrzehnten Stargast auf
den internationalen Opernbühnen. Mit dem
Klischee der unnahbaren Diva hat sie allerdings nichts gemein; sie wirkt sehr
bodenständig und zugänglich. Auch die Opernmusik habe nichts Elitäres an sich,
sagt Montserrat Caballé. Diese Musikrichtung sei auf der Strasse entstanden und
wende sich auch heute an uns alle.
Martina Bosshard: Was
war das beste Erlebnis in Ihrer Karriere?
Montserrat Caballé:
Am schönsten war mein erster Bühnenauftritt. Der fand 1956 in Basel statt; ich
sang "La Bohème". Das Publikum war phantastisch. Gerne denke ich auch
daran zurück, wie ich meinen Mann kennengelernt habe. Wir trafen uns bei der
Vorführung von "Madame Butterfly"; er sang den Part des Tenors. Sechs
Monate nach unserem ersten gemeinsamen Auftritt waren wir verheiratet.
Mit welcher
Opernrolle identifizieren Sie sich am meisten?
Immer mit der
letzten, die ich gesungen habe. Alle Rollen sind schön, in allen spürt man die
Kreativität des Komponisten. Als Sängerin muss ich der Rolle und dem
Komponisten dienen, die Rolle soll sich
nicht an mich anpassen. Sonst wird es zu persönlich und das ist nicht die
Meinung in der klassischen Musik. Wichtig ist, dass man als Sänger den
musikalischen Stil der Oper gut versteht und so die Persönlichkeit richtig
interpretieren kann.
Sie haben jetzt schon
eine sehr lange Karriere hinter sich. Gibt es noch Herausforderungen?
Auf jeden Fall. In
meiner ganzen Karriere habe ich immer versucht, neue oder vergessene Opern zu
entdecken und aufzuführen. Dies ist immer noch meine Leidenschaft. In diesem
Sommer habe ich in Rom die "Kleopatra" von Jules Massenet, einem
französischen Komponisten und Romantiker aus dem 19. Jahrhundert, gesungen. Das
war ein wunderschönes Erlebnis.
Sind Sie immer noch
nervös vor einer Vorstellung?
Ja, ich bin schon
Monate vor der ersten Aufführung aufgeregt. Ich denke, das geht allen Künstlern
so. Die Verantwortung gegenüber dem Publikum und den Veranstaltern ist gross,
da spürt man schon den Druck. Aber sobald ich die Bühne betrete, ist die
Nervosität weg und ich fühle mich ein bisschen wie zu Hause.
War es für Sie
schwierig, Karriere und Familie unter einen Hut zu bekommen?
Überhaupt nicht. Ich
musste die zwei Sachen gar nie trennen, denn meine ganze Familie liebt Musik.
Meinen Mann habe ich durch die Musik kennengelernt und wir haben sehr oft
zusammen gesungen. Ausserdem hat mein Bruder meine Karriere seit den Anfängen
in Basel als mein Berater und Organisator begleitet.
Sie hatten ja auch
schwierige Momente in Ihrer Karriere. Was gibt Ihnen die Kraft, um
weiterzumachen?
Ich hatte
verschiedene gesundheitliche Probleme. Sehr schwer war es auch, als meine
Eltern starben, oder andere Menschen, die mir wichtig waren. In solchen
Momenten ist man nicht in der Stimmung, um aufzutreten. Aber unsere Verträge
sind zum Teil schon jahrelang im Voraus unterschrieben, da kann man nicht einfach
sagen: „Entschuldigen Sie, ich weine und kann darum nicht singen“. Die Kraft
zum weitermachen finde ich in der Musik. Ich liebe meinen Beruf, er ist wie
eine Batterie für mich.
Was tun Sie in Ihrer
Freizeit?
Ich male, zwar nicht
besonders gut, aber es macht mir viel Freude. Ich finde das Malen faszinierend
und kann mich dabei gut entspannen.
Oper gilt als Kunst
für ein Elitepublikum. Wie könnte sie einem breiteren Publikum zugänglich
gemacht werden?
Das ist schon
passiert. In den letzten 25 Jahren hat sich die Opernwelt sehr geöffnet. Eine
wichtige Rolle spielten dabei die Sommerfestspiele. Diese Anlässe ziehen auch
Menschen an, die sonst nicht in die Oper gehen. Auch die Medien haben viel zur
Verbreitung der Opernmusik beigetragen. Viele Menschen lernen die Oper dank dem
Radio oder dem Fernsehen kennen und werden sich bewusst, dass es sich um eine
Musik handelt, die völlig normal und für alle zugänglich ist. Die Oper wurde
ursprünglich auf der Strasse geboren, ging dann in den Palast und später ins Theater?
jetzt ist sie wieder für alle da.
Sie haben einen Teil
Ihres Lebens in der Schweiz verbracht. Haben Sie immer noch eine Beziehung zu
diesem Land?
Natürlich, denn die
Schweiz ist das Land, das mir am Anfang meiner Karriere eine Chance gegeben
hat. Nach meiner Ausbildung in Barcelona versuchte ich zuerst in Italien ein
Engagement zu bekommen. Nach dem Vorsingen sagte man mir dort: „Das Beste ist,
Sie gehen nach Hause, heiraten und bekommen Kinder“. Als mich dann einige Zeit
später das Opernhaus in Basel unter Vertrag nahm, war ich erleichtert. Ich habe
auch gerne in der Schweiz gelebt und komme immer wieder für Auftritte zurück